Editiert von Rudolf C. Hoek, Beilage in der Zeitung „Rheiderland“ vom Dezember 1992.
Aufzeichnungen von Eilerd Bayen Tammling und seiner Tochter Lummina Margreta, verheiratete Jansen, aus Soltborg
FRANZOSEN UND ENGLÄNDER IM QUARTIER
Zu Beginn des neuen Jahres 1795 besetzten infolge der französischen Revolution Franzosen ganz Holland und das Rheiderland. Jenseits der Ems lagen Engländer, und wir erhielten 10 Wochen lang keine Nachricht von drüben.
Am 13. Februar 1795 hatten wir die Englischen im Quartier, mit deren Flüchtlingen wir von Weener aus schon viele Fahrten über die Ems unternommen hatten. Am 27. Februar mittags kam es im Groningerland zwischen Franzosen und Engländern zum Schusswechsel. Trotz des Nebels hörten wir das Feuer deutlich bis hinter Holtgaste.
Am 28. Februar trafen Franzosen in Bunde ein. Am 4. März marschierte hier von Jemgum her ein Bataillon Franzosen zur Nortmer Fähre. Also eine artac (Attacke) war im Gange. Bis zum 25. März blieb unsere Commune von Einquartierung verschont.
Aber dann traf es uns: Ich als Schüttemeister erhielt 1 Offizier. Ich musste mit den Offizieren auf Besuch gehen: Am 25.4. hatten wir 13 Offiziere zu Tisch. Man hatte seine liebe Not, sie zu beköstigen, zumal man für Geld hier nichts kaufen konnte. Die Franzosen hatten kein Geld, außer Papier und Assignaten (Geldanweisungen). Der Friedensschluss mit unserm König kam uns gut zustatten. Nun begann auch wieder die Frühlingsarbeit und einige der französischen Soldaten halfen. So beschließen wir nun mit Gottes Hilfe das 10. Jahr unseres Ehestandes.
Soltborg, den 7. Mai 1795
lm Mai 1796 kam ein preuß. Offizier bei Leerort über die Ems mit einem hannov. Trompeter und reiste nach Weender zum General. Von nun an konnte man mit einem Pass hinüberkommen. Am 17. und 18. Mai zogen die Franzosen ab. Die Hannoveraner waren vorher schon abgezogen. Darauf rückten preuß. Truppen ein.
Nun florierte unser Land.
Hiermit beschließen wir das 11. Jahr unseres Ehestandes.
E. B. Tammling
Soltborg, den 1. Mai 1796
Viele von meinen Annotalien (Notizen) sehe ich als unnütz und Eitelkeit an. Bis dahin ist uns durch Gottes Güte lauter Segen zuteil geworden. Ich ziehe daher von 1796 bis 1804 hier zusammen:
Bemerkenswert der Vorfall, der sich am 22. Oktober 1800 auf der Ems ereignet: Von 24 Personen, die abends bei stürmischer Witterung von Leerort ins Rheiderland fahren wollten, ertranken 17, nur 7 wurden gerettet. Sie kamen vom Galimarkt und wohnten in unserer Commune. Zwei waren aus Bunderhammrich. Der Herr bewahrte uns gnädig, war ich doch auch mit meiner Tochter Elske und Bruder Luir und dessen Frau auf dem Markt gewesen.
Hiermit beschließe ich das 19. Jahr unseres Ehestandes.
E. B. Tammling
Soltborg, den 1. Mai 1804
1805: Das Jahr ist zum 22. Oktober für uns und das Land gesegnet abgelaufen. Von nun an wurden wir holländisch und mussten Steuern über Steuern zahlen. Handel und Wandel gehemmt: alles mit Accise belegt (Verbrauchs-Verkehrssteuer, Zoll). Wie schlecht es uns auch erging, noch unerträglicher wurde es durch den Übergang in das französische Kaiserreich.
März 1807: Unter Frankreich noch vielmehr unserer Freiheit beraubt als bisher.
1811: wurde die Conscription (Militärdienst) eingeführt. Die junge Mannschaft wurde durch das Los gezogen.
29. April 1816: Unser Vater Eilerd B. Tammling gestorben, geb. anno 1748, 7.4. in Holtgaste, vermählet mit Antje Evers am 6.4.1785. Mit ihr verheiratet 31 Jahre und 25 Tage. Beerdigung 8 Tage später. Leichenrede Pastor Fischer über Johannes 9, Vers 4: „Ich muss wirken die Werke des, der mich gesandt hat, solange es Tag ist …”
ENDE DES PROTOCOLLUMS
In Sachen der Zeit meiner elterlichen Verbindung und die darinnen vorkommenden merkwürdigen Schicksale Gottes in ihrem Ehestand.
Lummina Margreta Tammling
FAMILIENKUNDLICHE NACHRICHTEN
Ich bin am 7. April 1748 geboren und erhielt den Namen Eilerd. Meine liebe Frau zu Holtgaste geboren wie ich, wurde auf den Namen Antje getauft. 1785 haben wir uns verlobt und am 6. April von Pastor Reimers getraut. Trauspruch Psalm 34: „Die reichen müssen darben und hungern, aber die den Herrn suchen, haben keinen Mangel an irgendeinem Gut …“. Die beiderseitigen Eltern und liebe Freunde waren anwesend. Helfe uns Gott mit dem Reichtum seiner Gnade, dass wir in seiner Furcht anfangen, fortsetzen und vollenden und als zeitlich verbunden für ewig mit dem Herrn im Glauben uns miteinander verloben mögen.
10. August 1785: meine liebe Mutter Elsche Eilerds gestorben. Geb. war sie am 24.7.1714 zu Nüttermoor, vermählt mit Baje Eggen Tammling am 20.3.1736. 49 Jahre mit ihm im Ehestand gelebt. Sie wurde 71 Jahre und 17 Tage.
2. Mai 1817 bin ich, Lummina Margreta Tammling, mit Johann Eben Jansen mit Zustimmung meiner noch lebenden Mutter und seiner Eltern verlobet und darauf am 14. August in den Stand der heiligen Ehe getreten. Traupredigt: Pastor Köppen über Hebräer 13, Vers 5.
Montag, 8. Juni 1818 ist meine liebe Mutter Antje Everts gestorben. Geb. anno 29. Januar 1758 zu Holtgaste, vermählet mit Ehemann Eilerd Bajen Tammling, in einem Alter von 60 Jahren, 4 Monaten und 8 Tagen, wie wir hoffen in dem Herrn entschlafen. Acht Tage nach ihrem Tod beerdigt, Leichenrede von Pastor Köppen gehalten über Römer 14, Vers 8: „Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn …”
Die Mutter meiner lieben Frau: Remke Remkes, geb. 30.4.1731, vermählt mit Evert Everts am 31.7.1755. Ist 1766 am 16. Dezember gestorben. Lebte mit ihrem Ehemann 10 Jahre, 4 Monate und 18 Tage, wurde 35 Jahre, 7 Monate und 16 Tage alt.
1786: 10.7. Tochter um 3 Uhr geboren und am 18.7. auf den Namen Elsche getauft.
1789, 6. November abends um 10 Uhr: Tochter geboren und am 8. ds. Mts. auf den Namen Remke getauft. Im Einvernehmen mit meiner Frau anstatt Remke Remmina ins Kirchenprotokoll eingetragen.
2. Mai: Mein Schwiegervater und meiner Frau Vater E. Everts gestorben. Er war am 2.7.1727 zu Holtgaste geboren und mit Frau Remke Remkes verehelicht. 10 Jahre, 4 Monate und 18 Tage. Er wurde 62 Jahre und 10 Monate alt.
1791: 31.3. Unser Vater B.E. Tammling gestorben (geb. 7.1.1707 zu Holtgaste). Er wurde 84 Jahre, 2 Monate und 24 Tage alt. Lebte mit seiner Ehefrau 49 Jahre und 4 Monate.
1794: 11.1., 1 Uhr nachts: Tochter geboren und am 14.1. Lummina Margreta getauft.
1797: 12.11., 1 Uhr nachts: Sohn geboren und auf den Namen Baje Eggen Tammling getauft von seinem Herrn Oheim Pastor und Prediger zu Potshausen.
1799: 21.5. ist unsere liebe Schwester Lumke Bajen Tammling, Berend Janshen Scharmans Ehefrau, zu Leer im Alter von 60 Jahren gestorben. 34 Jahre verheiratet.
1801: 2.9., 10 Uhr vormittags, zu Soltborg eine Tochter geboren und am 6.9. auf den Namen Talea getauft.
1802: 15.2. nachmittags 3 Uhr: Unser Schwester Ehemann Berent J. Scharmann gestorben.
1805: 1.8. unsere Tochter Remmina im Alter von 15 Jahre und 9 Monate – wie wir hoffen in dem Herrn – entschlafen. Sie war ständig krank. Abdankung durch ihren Oheim Pastor Tammling.
1806: 9.5. Unsere Tochter Elsche mit Hinderk Uden in den heiligen Stand der Ehe getreten.
1810: 1.10. Bruder Egge, 73 Jahre alt, 50 Jahre verheiratet, zu Nendorp gestorben. Er lebte kümmerlich nur mithilfe der Eltern und Geschwister. Am 18.11. ist seine Frau Ida ihm in die Ewigkeit gefolgt.
HERZLICH GELIEBTE MUTTER,
wir haben das alte Jahr durch Gottes Gnade zurückgelegt und im Neuen Jahre wieder angetreten und das ist nun das erste Mal von mir und Euch, dass wir so weit voneinander entfernt sind. Aber wieviele Veränderungen haben wir in zwei Jahren erlebt. Und in dem verflossenen Jahre haben wir soviel mit mir erfahren, dass die Gnade des Herrn währet in Ewigkeit zu Ewigkeit über die, so ihn fürchten, und seine Gerechtigkeit auf Kindes Kind bei denen, die seinen Bund halten und gedenken an seine Gebote.
Was soll ich nun am Ende dieses Jahres Euch von uns allen wünschen als die Gnade des Herrn, ja, er sei Stütze und Trost an ihrem Körper, dass sie noch lange lebe und mir und meinen Geschwistern eine Stütze und zur Freude sein möge, bis es dem Herrn gefällt, der alle unsere Tage in seiner Hand bat, die noch werden sollen und derer noch keiner da war. Die Gnade des Herrn sei mit uns allen, die Gnade unseres Herrn, des Herrn, den wir hier wollen und sehen sein Kommen gern.
Zum Angedenken an das Jahr 1818, Lümmina Margreta Tammling.
Ende.