Die Molkereien des Rheiderlandes

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1. Entstehung der Molkereien im Rheiderland

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war der Verkauf von Butter, die auf den Höfen hergestellt wurde, neben dem Viehverkauf eine weitere Einnahmequelle der Landwirte mit Rinderhaltung. Sie wurde aber nur von einem Teil der Rinderhalter genutzt. Die Butterherstellung erfolgte auf dem Bauernhof. Sie war Handarbeit, es gab dabei große Qualitätsschwankungen.

Die Erfindungen der Zentrifuge (zur Aufteilung der Milch in Sahne und Magermilch) und Butterfertiger (zur Trennung der Sahne in Butter und Buttermilch) mit Antrieb durch Dampfmaschinen ermöglichten erstmals eine rationelle Verarbeitung der Milch und gleichbleibende Qualitäten. Aber: Diese Technik war zu teuer für den Einsatz auf dem einzelnen Bauernhof. Der Einsatz war jedoch notwendig, um bei wachsenden Ansprüchen der Verbraucher an die Butterqualität konkurrenzfähig zu bleiben. Die Bedeutung der Butterherstellung als Einkommensquelle für die Landwirte nahm in den 1870er Jahren in Norddeutschland stark zu. Bis dahin spielte sie im Vergleich zur Fleischerzeugung nur eine untergeordnete Rolle.

Hintergrund dafür war zum einen, dass Großbritannien 1876 seine Grenzen für den Import von Rindern vom Kontinent geschlossen hatte und damit ein wichtiger Absatzmarkt für Rinder ausfiel. Zum anderen erleichterte der Aufbau der Eisenbahnverbindungen den überregionalen Verkauf von Butter, insbesondere Richtung Ruhrgebiet. So kam es hier in dem Zeitraum ab etwa 1878 zur Gründung von Genossenschaften „zur gemeinschaftlichen Milchverarbeitung“. Zweck der Genossenschaften war die Errichtung von Molkereien. Die beteiligten Landwirte gaben die Herstellung von Butter dann an die Molkerei ab. Die Magermilch wurde von den Molkereien an die Milchlieferanten zurückgegeben und dort an das Vieh verfüttert. Später haben die Molkereien dann auch die Herstellung von Käse und anderen Produkten aus Milch begonnen.

Die Gründung und Entwicklung der Molkereigenossenschaft in Ditzum ist ein typisches Beispiel für die Entwicklung der Milchwirtschaft in der Küstenregion Norddeutschlands.

(Heinrich Heyen 2005)

2. Molkerei Bunde

Im Jahre 1907 wurde in Bunde die Molkereigenossenschaft e.G.m.b.H. gegründet. Die Molkerei wurde noch im selben Jahre erbaut und in Betrieb genommen. Hergestellt wurden Butter und Edamer Käse. Die Molkerei lag nicht direkt an der Straße und somit konnten die Milchfuhrleute um die Molkerei herumfahren. Da die Anlieferung zu der damaligen Zeit mit Pferdefuhrwerken erfolgte, hat man nach Fertigstellung auch gleichzeitig Bäume gepflanzt. Vorne wurden zwei Kastanien-, an den Seiten je vier Linden- und hinten zwei Pappelbäume angepflanzt. Die Bäume boten später den Pferden Schutz vor Sonne und Witterungsunbilden, da die Abfertigung doch eine gewisse Zeit dauerte.

Die Genossenschaft wurde 1919 aufgelöst und die Molkerei an die Stadt Barmen verkauft. Zu dieser Zeit wurde fast die ganze Milchmenge für die Frischmilchversorgung nach Barmen geschickt. Ende 1919 kaufte die Fa. Hollerbek die Molkerei und nahm die Käserei wieder in Betrieb.

1921 ging die Molkerei in den Besitz der Fa. Albert Wörmann über, die in Leer ein Dauermilchwerk unterhielt. Seit dieser Zeit ging der größte Teil der angelieferten Milch nach Leer zur Weiterverarbeitung und ein Teil wurde in Bunde als Frischmilch verkauft. Deutsche Markenbutter wurde noch soviel hergestellt wie für die Belieferung der Bauern und ortsansässigen Geschäfte erforderlich war.

Als im Jahre 1926 die Fa. A. Wörmann sich auflöste, ging das Dauermilchwerk Leer und die dazu gehörenden Molkereien in Bunde und Wymeer im Rheiderland und Hatshausen im Moormerland in den Besitz der Deutschen Libby Gesellschaft m.b.H. Leer über.

Während der Zeit der Rationierung der Milch und Milcherzeugnisse wurde nur Magermilch ans Dauermilchwerk geliefert. Das gesamte anfallende Fett wurde zu Deutscher Markenbutter verarbeitet, die an den Molkereiverband für Ostfriesland e.G.m.b.H. in Leer weitergegeben wurde.

1937 und 1938 wurden in der Molkerei größere innerbetriebliche Umbauten vorgenommen, da die Leistung der gesamten Anlage ihre Grenzen erreicht hatte. Es wurde ein neuer Dampfkessel, eine neue Dampfmaschine, neue Separatoren, Eismaschine, Milch- und Sahneerhitzer und ein 16.000 Liter Milchtank eingebaut. Das Labor befand sich zu der Zeit noch im Keller. Auf der rechten Seite, wo das Badezimmer war, wurden das neue Labor und ebenso ein WC eingerichtet. In der Wohnung wurde das Badezimmer und im oberen Bereich die Bodendachkammer durch drei neue schöne Zimmer mit großen Fenstern eingebaut.

Im Sommer 1944 fiel in der Molkerei Wymeer der Dampfkessel aus, so dass die Molkerei Bunde noch zusätzlich die Milch mit verarbeiten musste. In der damaligen, schwierigen Zeit hatte Libby irgendwo einen, wenn auch für die Molkerei zu großen, Kessel aufgetrieben, um die Molkerei wieder in Betrieb setzen zu können.

Nach Kriegsende 1945, die Emsbrücke bei Leerort war gesprengt, wurde das Einzugsgebiet für die Bunder Molkerei noch um die Orte Bingum, Bingumgaste und Kirchborgum erweitert, da Libby, die bisher die Milch verarbeitet hatte, keine günstige Transportmöglichkeit über die Ems hatte. Im Jahre 1949 musste, durch die gute wirtschaftliche Entwicklung, mehr Raum für die Modernisierung der Molkereimaschinen geschaffen werden. Es wurde auf der ganzen linken Seite ein Anbau errichtet. Anfang der 1950er Jahre wurden die ersten Milchsammelwagen in Betrieb genommen, so dass die Milchanlieferung mit Kannen durch die Pferdefuhrleute nicht mehr der Zeit entsprechend war.

Der wirtschaftliche Aufschwung nach dem Kriege brachte es mit sich, dass auch weitere Räumlichkeiten für Laboruntersuchungen, Personal- und Abstelleinrichtungen geschaffen werden mussten. 1967 wurde somit auf dem Grundstück, links von der Molkerei, ein Gebäude errichtet, wo die notwendigen Räume dann zur Verfügung standen.

Durch den weiteren technischen Fortschritt und Motorisierung, wurden dann endgültig nur noch Milchsammelwagen eingesetzt, die den Vorteil erbrachten, ein wesentlich größeres Milcheinzugsgebiet zu erfassen. Damit begann im ganzen Land das Sterben der ländlichen Molkereien, so dass im Rheiderland nach und nach die Molkereien in Bunde, Bunderhee, Ditzum, Jemgum, Stapelmoor und Wymeer geschlossen und auch verkauft wurden.

(E. u. W. Griesbach 2012)

3. Molkereigenossenschaft Bunderhee

1906   Gründung der Molkerei Bunderhee als Privatmolkerei durch den Molkereifachmann August Haschke.

1909   Milchlieferanten der Molkerei schlossen sich zu einer Liefergemeinschaft zusammen.

1929   Wirtschaftliche Schwierigkeiten der Molkerei führten dazu, dass 71 Milchlieferanten der Molkerei die Molkereigenossenschaft Bunderhee gründeten und die Molkerei von ihrem Besitzer käuflich erwarben.

1929   Jahresanlieferung 2,7 Mio. kg Milch von 153 Milchlieferanten.

1933   Mit der Einführung der Marktordnung für Milch wurden alle Molkereien unter staatliche Kontrolle gestellt. Auch der Molkerei in Bunderhee wurde ein festes Einzugs- und Absatzgebiet zugeteilt. Es erstreckte sich von Heinitzpolder und Kanalpolder über Bunderhammrich und Böhmerwold bis nach Weenermoor. Da die Molkerei Bunde an Libby lieferte, versorgte die Molkerei Bunderhee den Flecken Bunde ab 1934 mit Milch.

1940   245 Milchlieferanten lieferten 4,5 Mio. kg Milch. Etwa 50 % der Milch wurde an die Libby-Gesellschaft in Leer zur Kondensmilchherstellung weiterverkauft.

1950   5,2 Mio. kg Anlieferung von 312 Milchlieferanten. In Deutschland wurde die Marktordnung auch für Milch beschlossen, die Landwirtschaft sollte nicht dem freien Markt überlassen werden.

1970   Die seit 1933 geltenden Einzugsgebietsregelung wurde aufgehoben. 181 Mitglieder lieferten 9,0 Mio. kg Milch an. Die Vermarktung der Butter erfolgte zu fast 100 % über den Molkereiverband für Ostfriesland in Leer.

1972   Die Nachbarmolkerei Jemgum wurde stillgelegt. Milchlieferanten aus Marienchor, Hatzumerfehn und Jemgumgaste schlossen sich der Molkerei in Bunderhee an. Die Milchanlieferung betrug 12,6 Mio. kg von 211 Mitgliedern. Die Milcherfassung bei den Landwirten wurde komplett auf die Erfassung durch Milchsammelwagen umgestellt.

1970er   Die EU unterstützte die Milchwirtschaft mit garantierten Milchpreisen. Die Landwirte steigerten die Milcherzeugung kontinuierlich. Die in Bunderhee angelieferte Milch wurde dort entrahmt und verbuttert, die Magermilch zu einem großen Teil an den Molkereiverband in Leer geliefert und dort zu Magermilchpulver verarbeitet.

1973-77   Technische Erweiterungen in Milchverarbeitung und Butterei.

1978   Milchanlieferung 19,8 Mio. kg von 143 Mitgliedern.

1982   Milchanlieferung 24,1 Mio. kg von 128 Mitgliedern.

1984   Die EU führte die Milchquotenregelung ein. Die Milcherzeugung konnte nicht mehr gesteigert werden. Damit endete ein Zeitraum von ca. 15 Jahren, in denen die Molkereien über jährlich steigende Milchanlieferungen die Kostensteigerungen in der Milchverarbeitung auffangen konnten, bei Abnahmegarantie für Butter und Magermilchpulver durch die EWG.

1984   Fusion mit den Nachbarmolkereien Ditzum und Stapelmoor zur Molkerei Rheiderland eG. Die Milchverarbeitung wurde in Bunderhee konzentriert. Erneuerung der technischen Ausstattung unter Nutzung der Anlagen aus den stillgelegten Molkereien in Ditzum und Stapelmoor.

1984   Milchanlieferung 59,3 Mio. kg von 285 Mitgliedern.

1990   Nach mehreren Quotenkürzungen sank die Milchanlieferung auf 53,0 Mio. kg. Die in Bunderhee hergestellte Magermilch wurde zum überwiegenden Teil in der Zentralkäserei Oldenburg zu Käse verarbeitet.

1994   Mit 16 anderen Genossenschaften aus Weser-Ems schloss sich die Molkerei Rheiderland zur MZO Oldenburger-Botterbloom Milch eG zusammen.

1994   Die Milchverarbeitung in Bunderhee wurde eingestellt und in die MZO-Werke Leer (Milchpulver) und Edewecht (Käse) verlagert.

(Heinrich Heyen 2005)

4. Molkereigenossenschaft Niederrheiderland, Ditzum

1893   Milcherzeuger aus dem Niederrheiderland schlossen sich zur „Molkereigenossenschaft Niederrheiderland e.G.m.b.H.“ zusammen. Der Bau einer eigenen Molkerei in Ditzum wurde beschlossen und umgesetzt.

1900   Milchanlieferung 2,3 Mio. kg im Jahr. Fast die gesamte Milch wurde entrahmt und verbuttert, die Magermilch an die Milchlieferanten zurückverkauft.

bis 1914   Die Milchwirtschaft konnte sich frei entwickeln und bot den Milcherzeugern eine gute Rendite.

ab 1914   Die Zeit des 1. Weltkrieges und die Nachkriegsjahre brachten große wirtschaftliche Probleme. Die Milcherzeugung war rückläufig.

ab ca. 1922   Die Vermarktung der Butter erfolgte über den Molkereiverband für Ostfriesland in Leer, ein Zusammenschluss der ostfriesischen Molkereien.

1933   Mit der Einführung der Marktordnung für Milch wurden alle Molkereien unter staatliche Kontrolle gestellt. Der Molkerei in Ditzum wurde vom Staat ein festes „Einzugsgebiet“ zugeteilt. Es erstreckte sich von Ditzumerhammrich über Pogum bis Critzum. Alle Milcherzeuger dort mussten ihre Milch an die Molkerei abliefern.

1934   Jahresanlieferung 3,6 Mio. kg Milch von 100 Milchlieferanten.

1939   Jahresanlieferung 3,9 Mio. kg.

1950   Jahresanlieferung 4,8 Mio. kg Milch von 135 Lieferanten mit zusammen 1.682 Milchkühen. In Deutschland wurde die Marktordnung auch für Milch beschlossen, die Landwirtschaft sollte nicht dem freien Markt überlassen werden. Die Einzugs- und Absatzgebietsregelungen von 1933 galten weiterhin.

1955-59   Umfangreiche Modernisierung der technischen Ausstattung der Molkerei in Ditzum.

1966   Umstellung der Milchanfuhr auf die Abholung mit dem Milchsammelwagen. Anlieferung 9,0 Mio. kg Milch von 142 Milchlieferanten.

1970   Die seit 1933 geltende Einzugsgebietsregelung wurde aufgehoben.

1972   Die Nachbarmolkerei Jemgum wurde stillgelegt. Landwirte aus Midlum und Jemgum schlossen sich der Molkerei in Ditzum an.

1970er   Die EU unterstützte die Milchwirtschaft mit garantierten Milchpreisen. Die Landwirte steigerten die Milcherzeugung kontinuierlich. Die in Ditzum angelieferte Milch wurde dort entrahmt und verbuttert, die Magermilch zu einem großen Teil an den Molkereiverband in Leer geliefert und dort zu Magermilchpulver verarbeitet.

1973   Jahresanlieferung 15,3 Mio. kg Milch.

1973   Die jährlich steigende Milchanlieferung führte zu Erweiterungen der Verarbeitungskapazitäten in Milchentrahmung und Butterei.

1979   Jahresanlieferung 22,6 Mio. kg Milch.

1983   Jahresanlieferung 25,4 Mio. kg Milch.

1983   Die EU führte die Milchquotenregelung ein. Die Milcherzeugung konnte nicht mehr gesteigert werden. Damit entfiel für die Molkerei die Möglichkeit, Kostensteigerungen durch Mehrumsatz aufzufangen.

1983   Fusion der Molkereigenossenschaft Niederrheiderland eG mit den Nachbarmolkereien Bunderhee und Stapelmoor zur Molkerei Rheiderland eG.
Der Molkereibetrieb in Ditzum wurde stillgelegt.

(Heinrich Heyen 2005)

5. Privat-Molkerei Jemgum

Die Geschichte der Molkerei in Jemgum ist mit der aus Borgstede bei Varel stammenden Familie Kronsweide verbunden. Carl-Georg Kronsweide (1865 – 1945) zog 1894 mit seiner Frau Mathilde geb. Suhren als Molkereiverwalter von Borgstede nach Ditzum, wo er bis 1908 in der Genossenschaftsmolkerei als Verwalter erfolgreich tätig war. Hier wurden zwei Jungen (Gerhard und Georg) und zwei Mädchen (Gretchen und Hildegard) geboren.

Im Jahre 1909 erbaute Kronsweide in Jemgum eine Privat-Molkerei. Er war von 1915-1934 auch Fleckensvorsteher in Jemgum. Zu Beginn des privaten Dampfmolkereibetriebes betrug die anfallende Milchmenge täglich 6.000 Liter von 35 Lieferanten. Die Zahl der Bauern stieg bis zum 1. Weltkrieg auf 70 und dementsprechend verdoppelte sich auch die Anlieferungsmenge.

Sohn Gerhard erlernte den Beruf des Maschinenbauers und war im Weltkrieg bei der Marine als Maschinenmaat. Er arbeitete nach dem Krieg im Molkereibetrieb des Vaters und besuchte von November 1920 bis März 1921 die Molkereischule in Hameln, wo er die „Befähigung zum Dampfkessel- und Maschinenwärter“ und zur Leitung eines Molkereibetriebes erhielt. Er machte sich jedoch wenig später mit einer Reparaturwerkstatt selbständig und übernahm 1937 die Post in Jemgum. Er wurde bei technischen Problemen in die Molkerei gerufen.

Sohn Georg erlernte 1915-1917 das Molkereifach im elterlichen Betrieb und übernahm nach der Rückkehr aus Kriegsgefangenschaft 1920 die Betriebsführung der Molkerei. Durch die Gründung der Libby- Gesellschaft und dem Bau der Fabrik (1926) wurde die Molkerei stark geschädigt, da etliche Lieferanten absprangen und direkt an Libby nach Leer lieferten. Das Hauptantriebsaggregat in der Molkerei war seit der Gründung ein Dampfkessel, der bis 1941 in Betrieb war und mit Koks befeuert wurde. Damit wurden zuerst die einzelnen Maschinen angetrieben, aber auch Dampf zur Reinigung der Rohrsysteme erzeugt.

1927 setzte der Seniorchef seine Kinder Georg, Hildegard und Gretchen als Teilhaber des Betriebes ein und gründete eine offene Handelsgesellschaft. Im Jahre 1938 erhielt Georg Kronsweide seine Ernennung zum Molkereimeister durch den Milchwirtschaftsverband Weser-Ems in Oldenburg. 1933/34 wurde eine Neuregelung der Milchwirtschaft durchgeführt. Es wurde ein festes Einzugsgebiet festgelegt. Die Libby-Gesellschaft erhielt nun 40-50 Prozent der angelieferten Milchmenge. Die Anlieferungsmenge stieg 1934 auf etwa 18.000 kg täglich. 1935 wurde eine Leistungskontrolle eingeführt, was zur Einrichtung eines hölzernen Laborbauwerks führte. Die Butter wurde von da an dreimal wöchentlich untersucht. Durch die steigende Milchanlieferung wurde auch eine Modernisierung des Betriebes erforderlich. 1934 wurde östlich an das Gebäude die Butterei angebaut. In dieser Zeit wurde der Betrieb langsam auf Kraftstrom umgestellt. Der Betrieb warb auf dem Firmenbriefbogen mit „Dampfmolkerei mit elektrischem Einzelantrieb“. 1937 traten die Inhaber der Molkerei Jemgum mit drei Geschäftsanteilen als Genossen dem Molkereiverband in Leer (Butterabsatzorganisation) bei. Nach dem Krieg war Georg im Aufsichtsrat tätig. Urkunden für Butterpreise der Jemgumer Molkerei sind seit 1938 erhalten.

Während des Krieges arbeitete die Molkerei weiter. 1941 wurde ein neues Kesselhaus mit senkrecht stehendem Kessel errichtet. Kurze Zeit nach Kriegsende starb der Seniorchef (1945). Im gleichen Jahr fand Georg, der Sohn von Gerhard Kronsweide, Arbeit im Betrieb seines Onkels. 1954 übernahm der Neffe die technische Leitung. Die Milchverarbeitung wurde im September 1945 wieder aufgenommen und war demnach nach Kriegsende etwa vier Monate unterbrochen gewesen. 1948 erhielt die Molkerei einen eigenen Brunnen von 31 m Tiefe mit Wasserreinigungsanlage.

Nach dem Krieg ging es entsprechend dem landwirtschaftlichen Wachstum mit der Molkerei relativ schnell wieder aufwärts. 1951 wurde ein Plattenerhitzer angeschafft. Die mittlere Anlieferung betrug im Sommer etwa 15.000 Liter täglich. Die Gesamtanlieferung im Jahr 1951 betrug 3,23 Millionen Liter, davon 1,57 Millionen Liter an die Libby-Gesellschaft. Die Maschinenausrüstung bestand Anfang der 1950er Jahre aus: 2 Zentrifugen, 1 Rahmerhitzer, 1 Plattenerhitzer, 1 Milchkühler, 1 Rahmkühler, 1 Butterfertiger, 1 Buttermilchpumpe, 2 Milchpumpen, 1 Rahmpumpe, 2 Rahmreifer, 1 Säurewecker, 1 Kühlmaschine, 2 Wasserpumpen, 1 Wasserreinigungsanlage (Berkefeld), 1 Annahmewaage, 1 Kessel, 1 Kessel-Speisepumpe und 20 Antriebsmotoren.

Um 1955 entstanden am Ostende ein neues gemauertes Labor, Ställe und Lagerräume (Kohlenschuppen). In dieser Zeit erfolgte auch der Einbau eines neuen, flachliegenden Kessels, der 1965 mit einem Gasbrenner nachgerüstet wurde.

In den 1960er Jahren stieg die Jahresanlieferung auf jährlich 6,5 Millionen Liter Milch, wovon 5 Millionen an die Libby-Gesellschaft gingen. Der Rest wurde zu Butter verarbeitet. Um 1967 wurde der alte hölzerne Butterfertiger durch einen Niro-Butterfertiger mit 4.000 Liter Nutzinhalt (Anschaffungskosten: 36.000 DM) ausgetauscht.

In einer Gesellschafterversammlung der Firma Georg Kronsweide u. Co. OHG am 29.1.1972 beschlossen die Geschwister Kronsweide den Molkereibetrieb, hauptsächlich aus Altersgründen, stillzulegen und die Gesellschaft zum 31.1.1972 aufzulösen. Die Molkerei hatte bis zuletzt noch 87 Lieferanten aus Jemgum, Jemgumgaste, Klimpe, Sappenborg, Jemgumkloster, Neu-Jemgum, Eppingawehr, Midlum, Marienchor und Hatzumerfehn, die jährlich 6,5 Millionen Kilogramm Milch anlieferten. Die Betriebsstillegung erfolgte auch aufgrund der kostspieligen Umstellung auf Milchtankwagen. Georg Kronsweide war zu diesem Zeitpunkt 72 Jahre alt. 90 % der ehemaligen Lieferanten entschlossen sich damals, an die Molkereigenossenschaften Ditzum und Bunderhee zu liefern, 10 % an die Libby-Molkerei in Bunde.

(Gerhard Kronsweide 2005)

6. Molkerei-Genossenschaft Stapelmoor

Die Molkerei wurde von Ludwig Winterfeld 1911/12 erbaut. Er war bis 1914 auch Besitzer der Molkerei. Am 23.10.1913 gründete sich eine Molkereigenossenschaft (GmbH) mit 50 Mitgliedern, die die Molkerei nach dem Kauf am 1.5.1914 mit einer Anlieferungszahl von 6.600 Liter übernahmen. 1914 verzeichnete die Molkerei eine Gesamtanlieferung von 1.213.312 Liter. Vom Krieg bis 1923 ging die Anlieferungsmenge der Molkerei ständig zurück, die Jahresanlieferung im Jahre 1923 betrug noch 688.245 Liter. Nach 1923 stieg die Anlieferungsmenge wieder und betrug 1930 2.036.000 Liter. Durch die Neuregelung der Einzugsgebiete steigerte sich die jährliche Anlieferungsmenge auf 2.982.414 Liter im Jahre 1934. Die Anfuhr, die früher 15 Kilometer betrug, war durch die Neuregelung des Einzugsgebietes auf sieben Kilometer herabgedrückt.

1934 wurde der Molkerei Stapelmoor die Frischmilchversorgung von Weener übertragen. Betriebsleiter war Joh. Sterrenberg bis November 1935. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten wurde die Gesellschaft in eine GmbH unter der Leitung von Fokko Leemhuis umgewandelt. Leemhuis fiel 1943 in Russland. Die Milchanlieferung betrug jährlich 3,2 Mill. Liter. Durch Kriegseinwirkungen wurde die Molkerei im April 1945 sehr stark beschädigt. Der Betrieb ruhte bis zum August 1945.

Unter denkbar schwierigsten Verhältnissen lief der Betrieb in Zusammenarbeit mit Vorstand, Militär-Regierung, Behörden und dem neugewählten Betriebsleiter am 1. August 1945 wieder an. Die Milchanlieferung war so gering, dass die Trinkmilchversorgung der Stadt Weener oft in Frage gestellt war. Nach der Währungsreform (Juni 1948) stieg die Anlieferung der Milch. Der Betrieb konnte laufend erweitert und modernisiert werden.

1968 stand die Genossenschaft modern und gesund da und war als milchwirtschaftlicher Faktor in unserem Gebiet nicht mehr fortzudenken. Dank der Initiative des Molkereileiters Egge Mansholt, der seit 1. August 1945 tätig war, wurden auch über 100 Auszeichnungen der DLG mit den hergestellten Produkten erzielt. 1984 wurde die Molkerei stillgelegt.

(Rheiderland Jubiläumsausgabe 1935, Goldenes Buch der Molkerei Stapelmoor)

7. Molkerei Wymeer

Die Molkerei in Wymeer wurde 1914 gegründet und zunächst privat betrieben. 1921 betrug die Zahl der Lieferanten 21 und die tägliche Höchstanlieferung 1.400 Liter. 1926 erwarb die Deutsche Libby-Gesellschaft den Betrieb, die im selben Jahr ein Milchveredelungswerk auf der Nesse in Leer gebaut hatte. Bis 1934 konnten die Milcherzeuger ihre Milch selbst zu Käse verarbeiten oder eben zur Molkerei bringen, die über eine eigene Buttermaschine verfügte. Einmal in der Woche wurde den Lieferanten dann ein „Botteraker“ (Behälter für Butter) mitgegeben, auf einem Zettel die gewünschte Menge an Butter sowie Butter- oder Magennilch angegeben.

Ab 1934 schrieb damalige NS-Regierung das Einzugsgebiet vor. Jetzt musste jeder Landwirt die Milch bei der Molkerei abliefern. Das Einzugsgebiet umfasste Boen, Wymeer, Bunde, Kloster Dünebroek. Die Zahl der Lieferanten stieg nun erheblich und betrug 175 im Jahr 1935, die Höchstanlieferung an einem Tage 13.400 Liter.

Den Transport übernahmen in der Regel Nebenerwerbslandwirte und Fuhrunternehmer. Bekannte Milchmänner waren zu der Zeit Heiko Meinders aus Tichelwarf, Dirk Fekkers aus Wymeer und Weert Smid aus Kloster Dünebroek, der von 1942 bis Kriegesende fuhr. Mit einem Pferdegespann wurden die Milchkannen damals zur Molkerei gebracht. Später rollten Treckerzüge von Hof zu Hof. Erst im März 1962 lösten Trecker das letzte pferdebespannte Milchfuhrwerk in Wymeer ab. Im Zuge von Umstrukturierung bei Libby wurde die Molkerei in Wymeer 1970 stillgelegt. Die Milch musste nun nach Bunde zur dortigen Libby-Molkerei gebracht werden.

(Rheiderland Jubiläumsausgabe 1935, Arbeitskreis Chronik Wymeer-Boen)

Impressum:

2. erweiterte neugestaltete Auflage 2012 anlässlich der Ausstellung „Molkereien im Rheiderland“ im Heimatmuseum in Leer. Gestaltung: G. Kronsweide, Druck: Koppelkamp, Hesel. Fotos Titelblatt: Bunde: Anzeige in: Siebs (Hrsg.) 1930, Das Reiderland S. 163; Bunderhee: Archiv Heyen; Ditzum: Archiv Heyen; Jemgum: Postkarte; Stapelmoor: Archiv Mansholt; Wymeer: Arbeitskreis Chronik Wymeer; Umschlag Rückseite: Anzeige in: Siebs (Hrsg.) 1930, Das Reiderland.