Ein aufrechter Diener seiner Heimat
Bürgermeister Anneus Hinderikus van Lessen – Böhmerwold †
BÖHMERWOLD. Wieder hat der Tod einen der angesehensten Männer des Rheiderlandes, Landwirt Anneus Hinderikus van Lessen, Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Böhmerwold, Deichrichter, stellvertretender Obersielrichter und Kirchmeister, am Sonnabendvormittag in seinem achtundsechzigsten Lebensjahre plötzlich dahingerafft. Wer ihn kannte, weiß, dass er ein Mann war, dessen Persönlichkeit in jeder Hinsicht das Bild des bescheiden zurückhaltenden, redlichen Vertreters seines Berufsstandes bot, der mit peinlicher Gewissenhaftigkeit den ihm anvertrauten Ämtern vorstand, der mit großer Liebe seiner Heimatgemeinde diente und ein echter Rheiderländer war.
Als Sohn des Landwirts Tjabe van Lessen in Böhmerwold geboren trat Anneus van Lessen nach dem Besuch der Volksschule in seiner Heimatgemeinde, der Lateinschule in Weener und des Gymnasiums in Leer und nach glücklicher Heimkehr aus dem ersten Weltkrieg, in dem er aktiv in einem Garderegiment an der Westfront teilgenommen hatte, die Nachfolge seines gefallenen Bruders in der Verwaltung des Hofes an, der sich seit Generationen im Besitz der Familie van Lessen befindet. lm Jahre 1925 berief ihn der Vorstand der Oberrheider Deichacht in das Ehrenamt eines Deichrichters. Die Vereinigte Groß – Soltborger Sielacht berief ihn als Vorstandsmitglied und stellvertretenden Obersielrichter. Fast vierzig Jahre gehörte er dem Kirchenrat der evangelisch – reformierten Kirchengemeinde Böhmerwold an und diente ihr seit einem Jahre auch als Kirchmeister.
Für seine streng objektive Haltung wie für seinen Wunsch und Willen, stets dem Gemeinwohl zu dienen, spricht überzeugend, dass er schon zur Zeit der Weimarer Verfassung der Gemeindevertretung angehörte, im Jahre 1933 zum Bürgermeister in Böhmerwold gewählt und auch nach dem Umsturz mit diesem Amt erneut betraut wurde, das er, bis zum letzten Tage seines Lebens, pflichtgetreu verwaltete.
Mit großer Liebe und Sorgfalt beschäftigte sich Anneus van Lessen mit der Heimatliteratur; ihm verdankt die Gemeinde Böhmerwold die gewissenhafte Aufzeichnung ihrer Dorfchronik. Mit der gleichen Aufgeschlossenheit und mit nie erlahmendem Eifer studierte van Lessen die Kirchenbücher seiner Gemeinde und legte damit den Grund auch für eine Chronik der Kirchengemeinde Böhmerwold, eine Arbeit, die in einem Nachruf des Kirchenrates dankbare Anerkennung findet. Als Kirchmeister lag van Lessen die treuhänderische Verwaltung und Pflege des ehrwürdigen Gotteshauses und des Friedhofs mit seinen alten aufschlussreichen Grabsteinen besonders am Herzen.
Noch zehn Jahre nach einem bedrohlichen Herzinfarkt war es Anneus van Lessen vergönnt, sich im öffentlichen Dienst erfolgreich und mit leidenschaftlicher Liebe zur Heimat zu betätigen. Er war einer der Stillen im Lande, der sich Anerkennung ehrlich verdient hat, der aber jede Hervorhebung mit aller Entschiedenheit ablehnte. Nun, da ihn der Tod, wenn von ihm selbst auch nicht unerwartet, plötzlich dahinraffte, wissen seine vielen Freunde und alle, die dem Dahingeschiedenen als einen aufrechten und liebenswerten Menschen kannten und schätzten, was Sie an ihm verloren haben.
Am Mittwochnachmittag wird Anneus van Lessen von der Kirche in Böhmerwold aus zur letzten Ruhe getragen werden und in der heimatlichen Erde bestattet werden.
Nachruf in Grenzlandzeitung „Rheiderland“ vom 16. Dezember 1963
Abschrift aus dem Buch „Gemeinde-Chronik Böhmerwold-Bovenhusen“, verfasst von Anneus van Lessen. Das Buch ist verfügbar durch die Landschaftsbibliothek in Aurich.